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Wacken-Open-Air 2003


W:O:A 2003


Wacken Open Air 2003

Das 14te Wacken Open Air liegt nun eine Woche zurück. Ich habe mich mehr oder weniger von den Strapazen erholt und versuche nun das erste Mal meine Erinnerungen zu sammeln.

Wie immer hat es sich natürlich gelohnt, das kleine Dorf im hohen Norden zu bereisen, schon alleine wegen dem unglaublich genialen Konzert der New Yorker Kultmetaller um Dee Fucking Snider, Twisted Sister.

Egal, erstmal muss man ja hinfahren. Wie jedes Jahr haben meine netten Begleiter der letzten Jahre und ich uns auch dieses Jahr wieder sehr viel vorgenommen: den kleinen Pritschenwagen, den wir 2002 in Wacken hatten, wieder mitzunehmen, endlich mal unsere gute alte 3kW- Anlage für ganztägliche Beschallung des gesamten Camping-Geländes mit einzupacken und vor allem endlich mal auf eine gute Kühlmethode für Bier und Spirituosen zurückgreifen zu können. Aber was ist? Pustekuchen!

Schon Monate vorher erzählte mir Caddy, der die letzten Jahre immer einen sehr guten Duschbanddrummer abgab, er könne dieses Jahr nicht mitfahren, weil er sich zum besagten Wochenende selber auf Tour befände. Na herzlichen Glückwunsch. Da bleibt mir nur noch der Einwurf, dass man irgendwo halt Prioritäten setzen muss. Immerhin weiß er jetzt, dass man sich für das erste August-Wochenende immer schon im Jahr zuvor Urlaub nehmen sollte.

Wenige Wochen später unterbreitet mir der nette "The Kollege", der neben dem mächtigen Till Krempel immer die Gitarren strangulierte gegenüber des Duschcamps auf Camping Ground C, ehemals D, dass auch er das W:O:A 2003 nicht bereisen werden könne, da er ins Studio müsse zur Aufnahme der neuen Chefdenker-Platte, die meiner Meinung nach übrigens einschlagen wird, wie eine Napalm-Bombe.

Lange Rede, kurzer Sinn, immer mehr Leute sagen ab. Am Ende sieht es tatsächlich so aus, als würden wir mit Minimalbesetzung nach Wacken fahren. Der mächtige Herr Dr. Kremer schafft es dann noch tatsächlich, sich wenige Wochen vor Wacken einen Halswirbel zu brechen. Die Enttäuschung ist natürlich riesig, schließlich war er der von uns gekürte König von Wacken 2002.

Frank fährt trotzdem mit. An dieser Stelle ein sehr großes Lob an den Herrn Kremer, der dann Dienstagabend zusammen mit dem Mike und dem Herrn Kulicke die Vorhut bildet und Camping-Platz gegenüber dem Duschcamp absteckt. Grosse Leistung, man könnte schon von Tennis reden, wenn man nicht genau wüsste, dass in diesem kurzen Bericht, noch von wahrem Damen-Tennis mit Rasenplatzniveau zu lesen ist, aber dazu später.

Mittwochabend:
Wir fahren los, das heißt der Krischan und ich. Kurzerhand entschliesst sich noch der Burn mitzufahren (eine halbe Stunde von Abfahrt) und wir merken, dass wir trotz Burns spontaner Entscheidung gerade mal sechs Leute sein werden, die den unendlich langen Schlangen an besagtem Duschcamp trotzen müssen.

Donnerstag:
Egal, die Entscheidung, um 0:00h loszufahren, war gut. Ohne Stau und mit Spritsparender Durchschnittsgeschwindigkeit von 100km/h im fünften Gang kommen wir gegen 5:00h morgens an und müssen den lieben kleinen Burn erstmal am Eingang zurück lassen. Wir sind akkreditiert, der Burn hat keine Karte. Also erstmal aufs Gelände fahren und Kulicke wecken, der hat noch eine, irgendwo im Auto. Aber wo ist der Schlüssel?
Um 6:00h holen wir den einsamen Krieger, der mit unglaublichem Druck auf der Blase eine ganze Stunde neben dem netten Security-Mann ausharren musste endlich ab. Er erleichtert sich prompt mitten auf dem Gelände und wir fangen an zu trinken. Schließlich haben wir den ganzen Mittwochabend verpasst und müssen was nachholen. Diese Aktion war im Nachhinein eine sehr schlechte Entscheidung. Wir waren schließlich alle schon weit über 20 Stunden wach und die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen. Als der Donnerstag sich dann irgendwann dem Ende neigte, war ich schon so fertig, wie sonst erst Sonntagmorgen auf der Rückfahrt.

Aber stellen wir uns nicht mal an wie kleine Mädchen! Also Kopf auf, Bier rein! Der Donnerstag war bereits sehr heiß. Heißer als heiß. Gott sei Dank hat der Mike wieder den traditionellen Duschmetal-Pavillon dabei. Das Bier wird wie jedes Jahr im 20liter Wasser-Kanister gekühlt und ist tatsächlich immer auf angenehmer Trinktemperatur. Einziges Problem: das bei Lidl erworbene Billig-Premium-Pils GrafenWalder entpuppt sich als noch schlechteres Bier, als wir es erwartet hatten. Selbst Dr. Kremer, der auch mal gerne die Reste aus rumstehenden Falschen trinkt, wenn kein Bier mehr da ist, findet es ekelhaft. Ich kann mich nur anschließen. 4 Paletten habe ich gekauft, 2 nahm ich wieder mit, die stehen jetzt hier in der Ecke rum. Also beginne ich das Bier anderer Leute zu trinken, und es gefällt mir, leckeres eiskaltes Tuborg serviert zu bekommen. Dass gerade mal 20m von unserem kleinen abgesteckten Terrain entfernt, gekühltes Bier palettenweise verkauft wird, ignorieren wir gekonnt bzw. merken es erst am letzten Tag.

Trotz der Hitze beschließen wir, uns auch endlich mal Bändchen zu holen. Zu Fuß gehen? Kein Problem, ist ja gar nicht so weit, der Presse Check-In. Genau das sagt jemand, der nicht weiß, dass dieses Jahr, das kleine Pressehäuschen umgezogen ist. Es ist nicht mehr direkt hinter dem Gelände, sondern auf dem Parkplatz des neuen Sparmarkts. (am Ortseingang).
Wir wussten das natürlich nicht und gingen los. Endlich an der altbewährten Örtlichkeit angekommen, fällt uns auf, dass außer uns niemand da ist. Wir werden über den Umstand des Umzugs aufgeklärt und rennen tapfer weiter. Die Sonne brennt. Das ohnehin schon ekelhafte Grafenwalder in der Hand wird trotz zügigem Trinken immer wärmer. Wir erreichen den Presse Check-In. Ich bekomme mein Bändchen, eine kleine Namensänderung und auch der Krischan bekommt sein Bändchen, aber was ist mit Herrn Dr. Kremer? Er hat seinen Personalausweis vergessen. Andere Leute gucken auf die Frage hin, ob man seinen Personalausweis dabei hat mal nach und holen den gegebenenfalls noch aus dem Auto, andere Leute wie der Frank nehmen es einfach hin, eventuell noch mal dahin laufen zu müssen.

Wir sind keine Unmenschen. Ich fahre den Frank dieses Mal hin, ein weiteres Mal zu Fuß hätte uns alle getötet. Im Auto befindet sich eine geschickt platzierte Klimaanlage, die das ganze noch angenehmer gestaltet.

Donnerstagabend:
Die erste Band, die ich mir dieses Jahr ansehe ist Running Wild.
Das Konzert ist gelungen, die Show gefällt mir. Der Sound ist Ok, nicht gut aber Ok. Insgesamt ein guter Start ins diesjährige Wacken Open Air.
Ich bin totmüde. Ich bin nunmehr seit zwei Tagen wach und bin kurz davor, mitten in der Menge einzuschlafen. Ich verlasse das Gelände. Ich kann meine Augen eh nicht aufhalten und gehe schlafen.

Freitagmorgen:
Für heute habe ich mir vorgenommen, viele Bands zu sehen. Instrumente haben wir nicht dabei, wir haben also nichts aufzubauen, können daher also mehr trinken. Im Endeffekt haben wir aber eigentlich nur viel weniger Spaß, denn von einer Pritsche aus eine Hundertmeter lange Schlange vor den Duschen zu rocken, ist doch lustiger, also zum tausendsten Mal Mike's Helge Schneider-Best Of Mix zu hören. Also nutzen wir den stillen Vormittag und Frank und ich gehen uns erstmal wichtig machen. Als ab in Backstage-Bereich, ein kühles Fassbier in den verdorrten Hals kippen und mal gucken was heute noch so passiert. Die Möglichkeiten des Handyladens und zu Hause Verbliebenen erste ausführliche Berichte zu schreiben, nutzen wir intensiv. Dann auf zu Dismember, als erstes Highlight des Tages.

Dismember gefallen mir live immer wieder gut. Es ist lediglich schade, dass sie um 15:00h spielen müssen, weil es ohne Schatten in der Menge einfach zu warm ist. Trotzdem rocken Dismember los und lassen sich keine Anstrengung ansehen. Anscheinend wird es auch vielen anderen die sich zu dieser Zeit aufs Gelände gewagt haben zu anstrengend. Und man kann links und rechts immer wieder sehen, wie die dicksten Brocken aus der Menge gezogen und zu den Sanitätern gebracht werden. Ich lasse mir später berichten, dass dieses Jahr über 1000 Leute von den Sanitätern versorgt werden mussten. Das ist ne ganze Menge für ein Festival mit 30000 Leuten. Egal, Dismember packen die Hits aus. Durch alle Alben haben Dismember ein nettes kleines Set zusammengestellt um wirklich für jeden was dabei zu haben. Von der Like An Ever Flowing Stream (1991) bis zur 2000er Hate Campaign sind glaube ich so gut wie alle Hits in der kurzen Zeit abgeprügelt worden. Meiner Meinung hätte man Dismember aber weiter in den Abend verschieben sollen. Eigentlich hätte man einfach alle Bands nachts spielen lassen sollen. Das hätte es zumindest für mich um einiges erleichtert. Nachts bleibt das Bier wenigstens von selber kalt, außerdem kann man dann auch eine paar schöne Lightshows bewundern. Ich bin auf jeden Fall erleichtert, jetzt doch endlich eine Band dieses Jahr ganz gesehen zu haben und begebe mich zurück ins Pressezelt. Es ist sehr heiß da drin. Überall liegen die Taschentücher für zum aus ‚nem Karton ziehen rum und ich frage mich, ob die sich hier abends alle zum Gruppenkuscheln und gemeinsamen Weinen treffen. Aber ich erkenne schnell den eigentlichen Sinn dieser Tücher. Man kann sich damit prima die Bäche aus Schweiß wegwischen, die einfach über die Augenbrauen hinweg in die Augen laufen und den ganzen Rücken runter bis in meine wehrte Pofalte hinein. Alle tun das hier, die ganze Zeit, richtig arbeiten kann wohl keiner bei den Temperaturen. An einer kleinen Leder-Couch-Garnitur wird ein Interview vorbereitetet. Es wäre sicherlich interessant gewesen, aber in dem Zelt wurde es wärmer und wärmer. Aufgestellte Ventilatoren können nur das Schlimmste verhindern. Da! Die machts richtig! Eine italienische Metalmagazinredakteurin betritt das Zelt. Ausser einem Tanga und BH, trägt sie lediglich ein durchsichtiges, sehr kurzes Etwas am Körper. Der ist bestimmt nicht so warm. Frank ist fasziniert von der jungen Dame und ich soll umgehend ein Photo machen. Von hinten - von vorne sei sie nicht interessant.

Einige Stunden später, die Temperatur steigt eher, als mal zu sinken, bittet die Jesusrockband Testament zu Tanz. Als alter Testament-Fan lasse ich mir das nicht zweimal sagen und gehe hin. Von dem Konzert werde ich allerdings schwer enttäuscht. Die "Lightshow", wenn man das so nennen kann, lässt zu wünschen übrig, der Sound ist teilweise katastrophal und was am schlimmsten ist, auf viele alte Testament-Hits warte ich vergebens. Sie werden nicht gespielt. Insgesamt machen Testament auch nicht den fittesten Eindruck. Wahrscheinlich war denen auch zu warm, aber die sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Da verzeiht man schnell, wenn man schon oft mit Testament live beglückt wurde.

Ich beschließe, dass es einfach zu warm ist, sich weiter in der Menge zu quälen. Mittlerweile ohne Bier, aber mit sehr viel Durst, mache ich mich auf den Weg zum Camping Gelände. Ich bin nicht der Einzige, der unter der Hitze zu leiden hat. Einige scheinen die Zufuhr von kaltem Wasser so dringend zu benötigen, dass sie die schönen kleinen Wasserbecken völlig verwüsten und sich die dicken Wasserschläuche direkt in die Hose halten. Die Dinger werden kurzerhand abgebaut und uns fehlt jeglicher Nachschub an kaltem Frischwasser zur Bierkühlung. Da das 'leckere' Grafenwalder auch kalt nicht besser schmeckt, ist es kein Problem, sich die Plörre in warmen Zustand reinzuprügeln. So richtig will das aber doch nicht klappen. Doch leckeres, kaltes Bier ist schnell aufgetan und für die notwendige Erfrischung ist nun auch gesorgt, da sich tatsächlich einige von uns auf den kilometerlangen Marsch zur nächsten Wasserstelle aufmachen. In dieser Hitze ein Todesmarsch. Ich sehe mir nun erstmal keine Band mehr an und warte auf In Flames.

Die Sonne geht langsam unter, aber wirklich kälter wird es nicht. Scheiss drauf, ich stelle mir einfach vor, dass ich irgendwo bin, wo es ganz kalt ist. Das funktioniert zwar nicht wirklich, aber über die starke Beanspruchung der Vorstellungskraft, vergisst man schnell, dass man noch gar nichts gegessen hat.

Wir verpassen die ersten Minuten von In Flames und damit die fabulöse Show zu Episode 666. In Flames geizen nicht mit Pyroeffekten und der Sound ist wieder klasse, nach vielen Problemen am Nachmittag. In Flames spielen nicht allzu viele neue Sachen, das Publikum ist sehr dankbar. Vor allem von der Colony werden so gut wie alle Hits gespielt. Es wird langsam kühler und somit immer angenehmer, sich vor den Bühnen mit Metal beschallen zu lassen. Doch so richtig kann ich In Flames nicht genießen, denn ich warte die ganze Zeit auf Twisted Sister, die ja im Anschluss spielen werden. Ich muss pinkeln, aber ich habe Angst, was zu verpassen.

Twisted Sister betreten die Bühne. Die Menge tobt. Ich hatte bereits 2000 das Vergnügen, Dee Snyder als Ersatz für Testament sehen zu dürfen und freue mich umso mehr, auf die ganze Band auf der Bühne. Twisted Sister werden an diesem Abend niemanden enttäuschen, in einer Wahnsinnsshow werden alle Hits der Band gefeiert. Besonders I Wanna Rock wird immer wieder neu angestimmt, das Publikum standesgemäß zum Mitsingen und wildem Rumhopsen motiviert und Dee Snyder erscheint da oben auf der Bühne beinahe gottgleich. It's Only Rock'n'Roll (but i like it) und We're Not Gonna Take It lassen nicht lange auf sich warten. Eröffnet haben die Jungs aus New York Rock City übrigens mit nichts besser Passendem als The Kids Are Back. Insgesamt ein super Konzert mit spitzenmäßigem Sound und hübsch anzusehendem Lichtspiel. Der Krischan hat mittlerweile Geburtstag und feiert diesen in der Menge bei Twisted Sister. Caddy, der ja leider zu Hause bleiben musste, lässt sich das gesamte Konzert per Mobiltelefon übertragen und schreit immer wieder "Ich hasse mich!" in die Muschel seines Telefons.

Absolut begeistert verlasse ich das Festival-Gelände um jetzt auch mal mich selber etwas abzufeiern. Auf dem Camping-Ground wieder angekommen, kommt erstmal wieder ein kühles, feuchtes Bier an den Kragen. Der überaus nette Schwede von nebenan, der mir schwedische Sätze beibringt, die übersetzt lauten "Lutsch meinen verdammten Schwanz!" und "Mein Penis ist zu gross für dich!", entpuppt sich als ehemaliger Sänger der Band der Band Finntroll. Er wohnt jetzt in Schweden und hat in Stockholm eine kleine Metalkneipe. Seine Freundin ist eine Art Busenwunder. Frank bringt ihr als Gegenleistung zu meinem Schwedisch-Anfängerkurs ein paar 'nützliche' deutsche Sätze bei wie "OI! Ich habe einen guten Charakter" und "Ich mache dir die Schere". Sie lernt schnell und begeistert uns immer wieder mit dem Gelernten. Der Abend endet damit, dass mich ein netter Herr, der nur wenige Zelte weiter sein Lager errichtet hatte, zu massenweise schottischem Single Malt einlädt. Der ist sehr lecker und ich trinke munter weiter bis die Sonne aufgeht. Ich bin nun sehr müde und verbringe den ganzen Samstagvormittag in der Heia.

Samstagmittag:
Ich habe Kopfschmerzen, und nicht gerade schwache. Kurz frage ich mich, woher die wohl kommen, aber ich finde schnell eine Erklärung. Die Ursache scheint eine Mischung aus Unmengen Scotch Singe Malt, Kirschwasser und Sonneneinstrahlung zu sein. Wobei man erwähnen muss, dass ich in meiner Müdigkeit wohl vergessen hatte, die Fenster meines metallicgrünen KDF-Polos einen Spalt zu öffnen. Resultat war, dass ich schweißgebadet aufwachte, in einem kleinen Auto mit einer Innentemperatur von etwa 60° Celsius. Selbst im Schatten sitzen und Wasser (!) trinken hilft nicht wirklich weiter. Das schon oft genug erwähnte Grafenwalder Premium Pilsener will auch nicht wirklich den Weg meine Kehle hinunter finden. Irgendwie schaffe ich es aber dennoch mich in den Nachmittag zu retten. Ich sehe mir ein paar Bands an, gemütlich von schattigen Plätzchen aus und versuche trotz andauerndem und starkem Durst nüchtern zu bleiben, um den Tag der Abreise nicht wieder in einem absoluten Dilemma ausarten zu lassen. In den vergangen Jahren schaffte ich es nie, unter verkehrssicheren Gesichtspunkten nach Hause zu gelangen.
Mike kriecht aus seinem Zelt. Am Vortag hat er wohl laut Angaben mehrerer Zeugen 48 Dosen Bier getrunken. Die nach unten offene Bierskala scheint erweitert werden zu müssen, genauere Diskussionen sparen wir uns allerdings auf, für zu Hause. Mike kriecht über den Boden, nimmt sich ein Radler und trinkt es. Dann ein zweites. Er scheint aber nicht mehr auf dem liegen zu können, ohne sich irgendwo festzuhalten. Das Trinken des zweiten Radlers scheint ihn sehr anzustrengen. Er bekommt den Kopf nicht vom Boden und kippt sich einen großen Schluck nach dem Anderen in den stets offenen Mund. Er bewegt sich wieder! Richtung Kofferraum! Mittlerweile versammelt sich allerlei Publikum um den wackeren Trinker. Für den 3m-Weg zum Kofferraum benötigt er etwa 30min. Zwischendurch rollt er auch mal versehentlich in eine andere Richtung. Irgendein Typ reicht ihm einen Becher Bier, den Mike sofort ext. Und weiter zum Kofferraum. Er hat es geschafft, greift hinein, zaubert ein Bier hervor und trinkt es aus. Wir sind uns mittlerweile einig, dass Mike das diesjährige Wacken-Open-Air gewonnen hat. Mike darf sich von nun an König von Wacken 2003 nennen.

Ich sehe viele Menschen um mich herum, die kleine, bunte und blinkende Bällchen, an ebenso bunten Schnüren befestigt um sich herum werfen. Angesichts der seit Tagen anhaltenden Temperaturen und der bisher in den Kreislauf eingespeisten Menge Alkohol mache ich mir gar nicht die Mühe, weiter darüber nachzudenken.
Der Abend rückt immer näher und die Vorfreude auf Slayer wächst. Krischan hat immer noch Geburtstag, aber richtig feiern tut er nicht. Er ist wohl auch nicht mehr so fit. Im Nachhinein erinnere ich daran, dass ich Krischan lediglich ein einziges Mal und nur für wenige Stunden habe schlafen gesehen, aber das ist ein anderes Thema. Schließlich wird er sich auch die Mühe machen müssen, einen kleinen Bericht über das vergangene Wochenende in Wacken zu schreiben.

Und der Samstagnachmittag will und will nicht vorbeigehen. Ich hatte mich noch lustig mit den Jungs von Schrotgrenze, trinke dann doch noch das eine oder andere Bier, bleibe aber wie gesagt weitestgehend nüchtern. Ich habe Hunger. Die kalte Erbsensuppe aus der Dose, mit einem wegen Faulheit immer noch dreckigem Löffel befriedigt mich nicht wirklich. Ich beginne Hot-Dog-Bisse zu schnorren, weil ich selber zu faul bin, mir einen zu holen. Irgendwann gehe ich dann zu Slayer. Das sie das bisher gesehene nicht toppen liegt angesichts dem gestrigen Twisted Sister-Auftritt auf der Hand. Trotzdem erwartet man Großes von einer Band, deren Platten man sich als eine der ersten Metal-Platten überhaupt zugelegt hatte. Doch wir werden enttäuscht. Bitter enttäuscht. Enttäuscht sein ist fast gar kein Ausdruck mehr dafür, was man in dieser Nacht auf der Bühne geboten bekommt. Das Publikum ist nach einem weiteren anstrengenden Tag in der Hitze verständlicherweise geschafft und angesichts der langen Wartezeiten auf Slayer kommt nicht wirklich Stimmung auf. Und was Slayer dann bieten, kann man getrost mit einem Konzert der The Atomaren Übermenschen vergleichen, die teilweise ohne Strom auf einer einsamen Wiese vor einem Wald spielen, nur so weil's gerade Spass macht. Der Sound von Slayer ist unter aller Sau. Man fragt sich teilweise wie viele Auszubildende im ersten Monat notwendig sind, um den Beruf des Tontechnikers so dermaßen zu verhunzen. Hinzu kommt eine Band, von der man mehr erwartet hat als auf der Bühne rumzustehen und nicht einmal den Kopf zu bewegen. Die Ansagen vor bzw. zwischen den Songs, die etwa lauten "Thank you, next song is …" werden lediglich dadurch modifiziert, dass das kurze Dankeschön auch mal weggelassen wird. Vielen Dank, Slayer! Ich freue mich also den ganzen Tag auf:
SCHEPPER SCHRABBEL - "thank you, next song is" - SCHEPPER SCHRABBEL - "next song is" - SCHEPPER BUMM SCHRABBEL. Danke! Irgendwann erkenne ich aus Tonwirrwarr scheppernder Drumsolos und dröhnenden Gittaren das Lied "Angel of Death". Wirklich begeistert bin ich nicht. Ich überlege, dass ich viel mehr auch gar nicht von Slayer sehen wollte und verlasse enttäuscht das Festival Gelände, mit dem Vorwand, aus reinem Protest, bis zum Ende des Jahres kein einziges Mal Slayer zu hören, geschweige sie live sehen zu wollen.

Mit dem Auftritt von Slayer endet dann auch der offizielle Teil des Festivals. Ich genehmige mir noch ein kaltes Bier im Backstage Bereich und gehe dann schlafen. So früh bin ich auf dem Wacken Open Air noch nie ins Bett entfleucht.
Abschließend lässt sich eigentlich nur sagen, dass es sich mal wieder gelohnt hat, nach Wacken zu fahren. Vor allem Twisted Sister sollten meiner Meinung auch auf dem Jubiläumsfestival nächstes Jahr nicht fehlen. Der Sound hingegen hat mich dieses Jahr derweilen sehr enttäuscht. Scheinbar traten immer wieder Probleme auf, die selbst über die Dauer eines ganzen Wochenendes nicht wirklich behoben werden konnten. Da sollte man sich wirklich mal Gedanken machen über die engagierte Tontechnik. Ein Martin Bachner hätte sicher einiges retten können. Zumindest hätte er nach seinem unumstrittenen Benotungssystem der erbrachten Leistungen einigen Crewmitgliedern eine glatte ‚6' verpasst.

Der Sonntag ist eher unspektakulär. Einige von uns, haben die ganze Nacht durchgesoffen und sind daher nicht wirklich nützlich bei der bevorstehenden Heimfahrt.
Also fix alles eingepackt und ab inne Heimat.

Wie immer konnte ich nicht alles Erlebte in diesem kleinen Vorabbericht unterbringen, es werden also weitere detaillierte Konzertberichte etc. des 14ten W:O:A folgen. Auch auf eine kleine Sammlung interessanter Schnappschüsse darf man gespannt sein. Aber fürs Erste sollte das hier erstmal reichen. Vielen Dank für die Aufmerksamt.
W:O:A 2004, wir kommen!


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