Ekelhaft! Wie das schon klingt! Boh, geh Geige spielen und heul doch!
Genau das habe ich mir auch das erste Mal gesagt, als mir klar wurde,
das man alles mit anderen Augen sieht, wenn man genau weiß, dass man
demnächst arbeiten muss. Ich dämlicher Vollidiot habe ja eine
Ausbildung im Einzelhandel gemacht. Scheiß Beruf, scheiß Bezahlung.
Aber nun gut, darüber lässt sich ja bekanntlich streiten, so was in der
Art behauptet ja jeder von seiner Arbeit.
So als Student, wenn man mit gar nichts was am Hut hat, dann geht man in
der Weltgeschichte rum und es kann einen einfach Alles und Jeder am
Arsch lecken! Wenn man weiß, dass man bald arbeiten gehen muss, dann
ändert sich das zwar nicht, also die Sache mit dem Arsch lecken, aber
für mich sieht dann ein scheiß Möbelhaus nicht mehr aus wie ein
lächerlicher Kasten, sondern der sieht dann plötzlich aus wie ein
lächerlicher Kasten, wo man ja eigentlich mal eine Bewerbung
hinschicken könnte. Einfach nur, weil man nicht weiß, wo man sonst eine
Bewerbung hinschicken soll.
Und plötzlich ist dieses scheiß beklemmende Gefühl da: Bald bezahlt dir
der Staat dein scheiß Leben nicht mehr. Kacke. Tja, die Eltern husten
dir einen, wenn Du sie fragst, ob sie dich vielleicht mal so sechs bis
sieben Jahre aushalten würden, und die Omma drückt dir bestenfalls
fünfzig Euro in die Hand, für watt Schönes für zum kaufen.
Tja, eigentlich hat man ja für so was eine Freundin, aber die lacht
einen noch nicht mal aus, wenn man der die grandiose Idee erklärt, das
sie doch arbeiten kann, und man selber dann zu Hause kocht und die
Wäsche macht. Die wirft im besten Fall so einen Garfieldblick rüber, so
einen mit halb geschlossenen Augen, um den Vorschlag in der nächsten
Sekunde schon wieder vergessen zu haben.
Tja. Und genau in diesem Moment geht der Spaß los! Erstmal wird
ausgerechnet, wie viel Geld man denn braucht, und danach die
Möglichkeiten abgewogen, wo man denn einen Arbeitgeber findet, der
einen kommen und gehen lässt, wie man das denn gerade so zufällig
zeitlich mit der Sauferei vereinbaren kann.
Dann guckt man sich ein paar Stellenanzeigen an und wackelt mal zum
Arbeitsamt, nur um festzustellen, das die noch nicht mal wissen, wie
man denn nun richtig eine Büroklammer bedient, geschweige denn wie sie
Dir einen anständigen Job besorgen könnten. Spätestens da bemerkt auch
die dunkelste Leuchte (!) dass es einfach keine coolen Jobs gibt. Noch
schlimmer: Man begibt sich in die Ausbeuterei, aber auch nur, weil man,
rein finanziell betrachtet, dazu gezwungen wird. Na toll!
Zum einen drängt die Zeit, zum anderen bieten sich keine wirklich netten
Perspektiven was die Jobangebote anbelangt, also schraubt man
automatisch seine Ansprüche immer weiter runter. Erst sollte es eine
halbwegs angenehme Arbeit mit normaler Bezahlung sein, bald schon ist
man bereit, sich für fünf Euro die Stunde durch einen riesigen Haufen
Scheiße zu fressen, auf der Suche nach was Essbarem!
Und irgendwann beneidet man sogar die Leute, denen es auf der Arbeit gut
geht. Da gibt es Zoofachverkäufer, die gehen gerne Fische verkaufen!
Jeden Tag! Neun Stunden! Und verdienen nicht gerade Reichtümer. Aber
die sind mit sich, mit der Arbeit und mit der Welt zufrieden! Das will
man dann auch. Sogar so sehr, dass man vergisst, dass es einem ja
eigentlich gut geht.
Verdammt, wenn man doch wenigstens irgendwelche Interessen hätte.
Irgendwelche, die man mit seinem Job kombinieren könnte. Aber wie will
man saufen, ficken und alles scheiße finden mit seiner Jobvorstellung
kombinieren?
Tja, da kann man eigentlich nur noch dem lieben Gott dankbar sein für
die schön gemütliche Studentenzeit (schluchz), und ein Mann sein und
ganz normal arbeiten gehen, wie die meisten anderen Leute auch, und
versuchen das Beste daraus zu machen! Und der Scheiß hat ja auch sogar
Vorteile: Man ist immer flüssig.
Punkt.
Na gut. Das ist ein Vorteil. Sogar der Einzige.
Aber dafür ein gar nicht mal so furchtbar schlechter. Und wenn abends
der Hammer fällt, dann hat man sein Geld im Säckchen. Als Student
schiebt man ja den Schuldenberg vor sich her, der immer größer wird.
Tja, kaum ist man auf Schicht, ist diese Last von einem genommen. Und,
jippie, wer hätte das gedacht, eine neue Last ist sofort zur Stelle:
Der Leistungsdruck.
Aber da es eh nicht anders geht außer zu arbeiten, ist jeder scheiß
Gedanke an das, was wäre, wenn man nicht arbeiten müsste, eh
Zeitverschwendung. Und wenn man es ganz genau betrachtet: Die coolsten
Leute sind Berufstätig! Und die haben Jobs, das glaubt man nicht, wenn
man es hört! Maurer! Elektriker! Altenpfleger! Tellerwäscher! Die
machen das ja auch nicht ehrenamtlich, sondern schlicht und ergreifend
um ihr scheiß Geld für ihr scheiß Leben zu verdienen. Und die
allercoolsten Typen sind selbstverständlich Einzelhandelskaufleute. Nur
mal so nebenbei bemerkt.
Und wenn man das einmal so halbwegs begriffen hat, dann braucht man
weder eine Geige, noch braucht man rumzuheulen um die Welt mit anderen
Augen zu sehen! Gute Nacht. Prost. KOLLEGE 02/05
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