Ich räume ja zur Zeit ein paar dämliche Regale ein, um wenigstens ein
bisschen flüssig zu sein (ha, super Wortspiel). Scheiß Arbeit mit
scheiß Bezahlung für einen scheiß Typen der einen scheiß kann. In
soweit also vollkommen legitim.
Tja, da stehe ich also in einem gammligen, dreckigen Lager, natürlich im
gammligen, dreckigen Kittel, und warte auf den gammligen, dreckigen
Lastenaufzug, um die gammlige Palette mit dem Müll hoch zu buxieren. Da
steht plötzlich neben mir ein Arbeitskollege im grünen, dreckigen
Kittel. Den dürfen nur die Leute tragen, die das faule Obst
aussortieren, also im Grunde die einzige Arbeit hier, die genauso
scheiße ist wie meine. Dieser Arbeitskollege ist groß, hat kurze
schwarze Haare und...trägt ein Hemd mit Krawatte (?).
Also entweder der hat sie nicht mehr alle auf der Reihe oder der hat
hier was zu sagen. Aber warum sollte er dann faules Obst spazieren
fahren?
Während wir so gemeinsam auf den Aufzug warten, halten wir
Arbeiter-Smalltalk. Bla blubb, schöne Arbeit hier, jaa klar, super,
schönes Lager hier, astrein, kann mir kein besseres Lager vorstellen,
aha faules Obst schön...
Jedenfalls ist der Typ ein netter Obst-Rumfahrer.
Und jetzt kommt die traurige Wahrheit, die sich im Verlauf des Gesprächs
rausstellt:
Der ist dreißig Jahr alt, hat gerade sein Studium an der Universität
beendet und ist jetzt Diplom-Betriebswirt. Dann hat er über achtzig
Bewerbungen geschrieben (!), quer über Deutschland, und hat exakt zwei
Bewerbungsgespräche bekommen. Eine Firma wollte ihn nicht, was er aber
auch nicht schlimm findet, weil da nur ganz fiese Arschlöcher
rumsitzen, und die zweite Firma ist eben diese hier:
Lebensmittel-Einzelhandel. Grandios.
Sein ganzer Lebenstraum vom Nadelstreifenanzug, einem schönen Büro in
der Automobilbranche oder irgendetwas vergleichbarem - begraben unter
Tonnen von faulen Bananen, stinkenden Äpfeln und Milliarden von
Fruchtfliegen. Nebenbei kommt der Abteilungsleiter der Obstabteilung,
der nicht studiert hat und den neuen, wesentlich kompetenteren
Arbeitskollegen erst mal kräftig unterbuttern will und kackt ihn an von
wegen „was ist das denn hier los, haben sie etwa die Hände in der
Tasche bla bla...“.
Naja, dafür muss der frisch gebackene Betriebswirt aber auch nur
schlappe fünfzig Stunden pro Woche hier abreißen, und er sagt, er sei
ja auch froh, die Stelle hier bekommen zu haben. Deswegen wird er auch
bis zur Rente hier bleiben. Denn es werden da draußen kaum Leute
gesucht, egal für welchen Bereich, und falls doch, dann picken sich die
großen, edlen Unternehmen nur die absoluten Eliteabgänger raus, die mit
Abschlussnote 1,5 aufwärts.
Tja. So und nicht anders sieht ein ganz normales Beispiel der
Arbeitswelt aus. Da hat er extra Abi gemacht, dann noch mal fünf Jahre
gelernt, am Hungertuch geknabbert um an seinem beruflichen Ziel zu
arbeiten, das er wahrscheinlich als Mittelpunkt seines Lebens sieht,
und jetzt steht er mit seiner Müllpalette neben meiner. Geil.
Seine Aufstiegschancen verrät er mir auch, und die traurige Wahrheit
geht weiter: Wenn diese Filiale hier einen neuen Marktleiter sucht,
dann hat er eine realistische Chance auf den Posten. Aber der jetzige
Marktleiter ist ja selber froh die Stelle zu haben, und will das auch
bis zur Rente machen, auch wenn er jeden Tag von morgens bis abends in
dem Drecksladen rumrödeln muss, und obendrein ist der jetzige
Marktleiter auch nur zehn Jahre älter als der frisch gebackene
Betriebswirt, also ist die Rente des Marktleiters, und somit die Chance
des neuen Betriebswirtes, in weiter Ferne!
Selbst wenn der frische BWLer dann die Stelle als Marktleiter irgendwann
in fünfzehn oder zwanzig Jahren kriegen würde, dann kann er sich immer
noch nicht im Ledersessel zurücklehnen, weil der Marktleiter auch
rumrennen und schleppen muss und viel Stress am Arsch hat. Dafür kriegt
er aber wenigstens einmal im Jahr eine saftige Provision. Richtig
saftig! Toll. Die kann er dann in seinen starken sechs Wochen
Jahresurlaub aufn Kopp hauen. Jippie a yeah!
Ergo: Er wird für ein bisschen mehr Geld, das im Verhältnis zu seiner
Arbeitszeit ein Witz ist, die nächsten dreißig Jahre genau denselben
Dreck machen, wie jeder, der nach der Schule eine Ausbildung gemacht
hat und seitdem arbeitet.
Jetzt kann man natürlich rumblöken von wegen „man studiert ja auch nicht
so eine Scheiße bla bla...“. Jajajajajajaja ist ja richtig. Ist ja auch
nur ein stellvertretendes Beispiel dafür, das man sogar mit einem
abgeschlossenen, seriösen Studiengang immer noch ein Stück Scheiße ist.
Natürlich gibt es glänzende, fröhliche Gegenbeispiele, ja, gibt es
alles, aber das hier ist mal ein Beispiel für die traurige Realität!
Und was kann man daraus lernen? Alles scheiße und es gibt kein
Entkommen!
Dann kann man, wenn man dann will, mit einer Ausbildung und jahrelanger,
guter Arbeit genauso weit kommen wie die fertig studierten, nur in
einigen Unternehmen oder Branchen braucht man zu gewissen, höheren
Positionen ein Studium. Das kann man dann ja hinterher schieben, nur:
Braucht man das? Will man viel arbeiten? Geht man etwa wirklich
studieren, um hinterher Karriere zu machen? Kommt drauf an, was man für
Ziele im Leben hat! Aber alles in allem: Es reicht vollkommen aus, als
kleiner Scheißer irgendwas tagtäglich zu machen, was einem irgendwie
ein bisschen Freude bringt, mit netten Leuten, und einem Gehalt, wovon
man sich halt am Ende des Monats seine üblichen Ferrari käufen kann.
Man hat jedenfalls nichts verpasst, wofür man Jahre seines Lebens opfern
würde, und es dann womöglich doch nicht erreicht.
Oder, kurz gesagt: Alles im Lack, so wie es ist! Traurig, aber die
Wahrheit.
Aber ist doch OK. Prost.
|