duschen ist KEIN heavy metal
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Noch mehr Blut!
Alles klar, kein Problem. Ich komme vom Dorf, ich kann die Lächerlichkeiten meiner Jugend mit Schneeschaufeln schippen. Also: Der Kollege war noch ein kleiner Scheißer, gerade auf dem Highway zur Geschlechtsreife und kannte noch nichts von einem Leben hinter den Grenzen von Morsbach, also es gab weder Lili noch eckige Würstchen.

Ein Leben ohne Sinn also.

Da es Metal sein musste wurden die Haare natürlich zur Freude von Mama und Papa länger. Pisspottschnitt ahoi. Zusätzlich waren dicke, weiße Turnschuhe voll im Trend. Wer Geld hatte konnte cool sein und trug Reebok Black Tops, ich trug Aldi. Weil meine Eltern ja noch das Sorgerecht für mich hatten waren so geile Karottenjeans am Start und Pullover für die ein Mord nicht bestraft wird weil die Pullis unter "Seelische Grausamkeiten" aufgeführt sind.

Aber das wichtigste war die braune Hein Gericke Lederjacke. Nicht das ich ein Motorrad gehabt hätte, nein, ich hatte noch nicht einmal ein Mofa. Aber die Lederjacke war das Non Plus Ultra und immer dabei. Und ich meine wirklich immer.

Ein Tag wie jeder andere: Winter! Morgens früh! Klirrende Kälte! Der kleine Kollege wartet zitternd auf den Bus. Die Hose stilecht mit selbst reingeschnittenen Löchern übersäht. Ungefähr hundert an der Zahl. Mütze? Schwachsinn! Wie sieht dat denn aus? Schal? Kein Mann, der was auf sich hält trägt einen Schal! Minusgrade hin oder auch her. Und als Krönung die Scheiß Lederjacke, die die Nieren in vollem Umfang freilegt. Aber Grippe und Tod sind ja nichts im Vergleich zu der Wichtigkeit des Tragens der Scheiß Lederjacke. Mann, habe ich mir den Arsch abgefroren, nur damit jeder meine einzigartige, braune Hein Gericke-Lederjacke bewundern konnte.

Anderes Beispiel - Sommer. Hundert Grad im Schatten. Alle mit freiem Oberkörper und Ventilator vorm Gesicht. Nicht so der verpickelte Kollege! Dicke Turnschuhe zur Förderung von Fußpilz, Lochhose und natürlich T-Shirt mit der Scheiß Lederjacke. Schwitzen interessiert nicht, stinken billigend in Kauf nehmend, Hauptsache der fein säuberlich zurechtgelegte Musikgeschmack findet im permanenten Tragen der Jacke Ausdruck. Mann , kam ich mir einzigartig vor. Dabei muss ich so Endscheiße ausgesehen haben das glaubt mir kein Mensch.

Nach und nach wurden die Haare immer länger und weil die großen Rockstars (Slash, Axl, Rachel Bolan...) tausend silberne Armreifen getragen haben musste ich das auch haben. Gesagt, getan. Ketten, Ringe und die über-Ohr-Länge der Haare verfeinerten meine ohnehin schon ungemein erotische Aura.

Zwischen Kühen, Treckern und Bäumen der gnadenlose L.A. - Rocker, der gerade seine erste Marathon-Schrott-Gitarre mit m Papa kaufen fahren war. Geil!

10 Watt Mingo Verstärker aufgerissen und schon stand ich im Geiste auf den größten Bühnen der Welt. Die Bühnen waren teilweise auch schon mal größer als eine Telefonzelle, aber so ganz ohne Publikum wirkt das irgendwie nicht so richtig cool. Auf dem Dorf findet sich halt kein Publikum, für gar nichts. Und erst recht nicht für die ersten musikalischen Ergüsse von den Herren "Wir können aber schon ne Menge Akkorde auswendig!".

Irgendwann habe ich dann mal die Seite im Peter Bursch Gitarrenlehrbuch gelesen wo es um Pentatonik ging. Das hatte mir schon gereicht um mich als Meister des Universums zu fühlen. Fortan beglückte ich wo es nur ging die Audienz mit wirklich fetzigen Gitarrensoli, die meiner Meinung nach ziemlich nach Slash klangen.

Taten sie aber nicht. ...wahrlich nicht...

Muss aber trotzdem verflucht geil ausgesehen haben: Ein kleiner Vollasi mit rasanter Motorradjacke, der sich grausam einen zurechtquäkt und nach den Konzert pünktlich von Mami abjeholt wird. Verflucht, muss ich cool gewesen sein!

Die "Konzerte" waren aber der Oberknaller: Wir mussten rumfahren und betteln das wir irgendwo spielen durften, dann die Plakate in mühseliger Kleinarbeit selber aufhängen, dann die komplette PA selber ankarren und aufbauen, Riesenaktion und viel Schlepperei für null Gage, und das alles für den Typen hinter der Theke und exakt einen Besucher der an der Theke nur saufen wollte. Wie geschehen in Bonn. Toll, Olympiastadion wir kommen.

Aber um die Kirsche, die ohnehin schon auf dem Sahnehäubchen lag, noch mal mit Schokostreusel zu verfeinern, musste ich mir ja unbedingt noch passend zur braunen Lederjacke braune Wildlederstiefel kaufen. Mann, haben die vielleicht gedrückt. Und waren die unbequem. Selbst als die eingelatscht waren bin ich mit eigenartigem Hüftschwung in der Gegend rumgestackselt. Und mit Jeanshosen die teilweise zu eng waren als das sie über die ganzen Stiefel passten. Und so bin ich in unserem Kuhkaff rumgelaufen, wo man schon für neue Gardinen als Massenmörder abgestempelt wird.
Aber meine schwarzen Picks hatten alle in weißer Schrift unseren Bandnamen "Die Philosophen" aufgedruckt, und wenn mich das schon nicht zum stärksten Mann des Universums macht, dann aber mindestens zu
Man - At - Arms! Oder Orko.

...ja ja, wohlbehütet auf dem Dorf aufwachsen kann was. Nämlich langweilig sein. Prost.

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